Eine Geschichte über ein Kind und sein Idol Muhammad Ali
Als Muhammad Ali starb, verließ mit ihm eine große Legende die Erde. Sein Verlust hinterließ in mir eine Leere, die nie mehr ausgefüllt werden kann. Mein Idol starb am 3. Juni 2016. Es ging mir bei Ali selten um den Boxer, sondern mehr um den Menschen dahinter, der sich gegenüber Unrecht niemals beugte und zeitlebens versuchte aufrecht durchs Leben zu gehen, auch wenn es ihm nicht immer gelang.
Rumble in the Jungle
Meine Liebe zu Ali fing im 1974 an. Ich wurde in der Nacht vor dem Fernseher Zeuge einer fantastischen Energieleistung, die ich bis heute in dieser Form nur selten erlebt habe. Ich wusste damals nicht, wer der sich so elegant durch den Ring bewegende und später mehrere Runden brutale Schläge einsteckende Mann war. Es waren Szenen die mich einerseits traumatisierten, aber anderseits auch faszinierten, als Muhammad Ali plötzlich das Ruder rum riss und den anderen Giganten im Ring, George Foreman, ausknockte und selbst endgültig zur Legende wurde. Der Kampf und seine ganze Vorgeschichte sind als ”The Rumble in the Jungle” in die Geschichte eingegangen.
Ein Kampf
Zirka zwei Jahre später, ich war vielleicht sechs Jahre alt, wurde ich von einem zwölfjährigen Jungen aus der Nachbarschaft windelweich geprügelt. Diesem Jungen, der später ein bekennender Rechtsradikaler wurde, gefiel mein Name, mein Aussehen und meine Herkunft nicht. Das Einprügeln dauerte eine ganze Ewigkeit. Ich wurde mehrmals niedergeschlagen und ich blutete aus der Nase und meinem Mund und mein Gesicht war hinterher eine Gemälde aus den Farben grün, blau, schwarz und violett.
Statt liegen zu bleiben, stand ich nach jedem Niederschlag auf und stellte mich diesem Giganten immer wieder aufs Neue. Ich schlug zurück und versuchte mit ihm zu raufen. Ich war verzweifelt, da ich ihn nicht bewegen und nicht schaden konnte. Ein Freund von mir stand dabei und weinte bitterlich. Er war erst fünf Jahre alt und hatte diese Art von Gewalt bis jenem Zeitpunkt noch nie zuvor erlebt. Er verstand auch nicht, wie ich so stur sein konnte und wegen dem “bisschen” Fremdenfeindlichkeit nicht aufgab. Auch der Junge, der mich verprügelte, weinte irgendwann. Es waren Tränen der Verzweiflung, weil er es nicht gewohnt war, dass sich ein schwächerer Mensch nicht beugen wollte und weil ihm irgendwann die Hände so sehr schmerzten, dass er sie kaum noch zu Fäusten ballen konnte. Irgendwann rannte er weg, obwohl er mich zu Hackfleisch verarbeitet hatte. Auch in den Jahren danach ging er mir immer aus dem Weg.
Weil Ali auch niemals aufgab
Als er mich damals verprügelt hatte, wusste ich, dass das nicht alles für den Tag gewesen sein konnte. Zuhause wartete mein Vater, der es nicht akzeptierte, wenn ich mich verprügeln ließ. Von ihm bekam ich dann am Abend den Rest. Aber irgendwie war es mir auch egal, denn ich wusste, dass ich nichts falsch gemacht hatte und das mein großes Idol, Ali, es wahrscheinlich genauso gemacht hätte.
Das sagte ich auch meinem Freund viele Jahre später. Wir waren schon in der Pubertät, als er erstmals wissen wollte, warum ich damals nicht aufgeben wollte und was mich immer wieder ritt, dass ich ein solcher Gerechtigkeitsfanatiker und Sturkopf war.
So bin ich halt
“Ali hätte auch niemals aufgegeben”, sagte ich ihm. Manche würden diese Art als dumm bezeichnen, für mich war es lehrreich und wahrscheinlich formte es meinen Charakter. Deshalb würde ich mich nie als guten Menschen bezeichnen, sondern eher als jemanden, der konsequent ist. Das nervt mich manchmal an mir selbst, aber bestimmten Momenten des Lebens kann ich seit dem denkwürdigen Erlebnis nicht anders. Es brachte mir auch nicht viele Freunde ein, aber das war mir noch nie so wichtig. So bin ich halt. Es ist ein Weg, den mir der Größte mit auf meinen Weg gab. Ich werde Muhammad Ali für immer verehren und eines Tages in einer anderen Welt treffen. Dann will ich ihn umarmen und ihm danken, dass er mir als Mensch viel gab.
In Gedenken an Muhammad Ali, geboren am 17. Januar 1942 in Louisville, Kentucky als Cassius Marcellus Clay; gestorben am 3. Juni 2016 in Scottsdale, Arizona.
Ein kleiner Junge, der heute erwachsen ist