Es ist passiert: Manuel Charr ist Boxweltmeister im Schwergewicht und nicht irgendein Titelträger eines unbedeutenden Verbandes. Der 33-jährige Kölner hat sich den Gürtel der angesehenen WBA erkämpft und damit etwas erreicht, was er schon vor Jahren angekündigt hatte. Mit dem 40-jährigen Alexander Ustinov hat der ”Diamond Boy” in Oberhausen sicherlich keinen Dominator bezwungen, sondern eine schwierige aber machbare Aufgabe souverän gelöst. Statt sich mit Charr zu freuen, dass nach Max Schmeling endlich wieder ein Boxer aus Deutschland im Schwergewicht Weltmeister geworden ist, wird in zu vielen Ecken gemeckert. Woran stört man sich eigentlich? In Deutschland wird gerade so getan, als wäre die WM total unverdient für den 33-Jährigen zustande gekommen. Zu viele negative Stimmen übertünchen momentan die Freude über ein tolles Ereignis. Einige dieser Stimmen betreffen die Herkunft von Charr – er ist den meisten Fans nicht deutsch genug.
Deutscher Boxer syrischer Abstammung
Max Schmeling würde sich im Grabe umdrehen, wenn er sehen könnte, wie mit einem seiner boxerischen Erben heute umgegangen wird. In den USA, einem Land das als rassistisch gilt, sind die Mehrzahl der Schwergewichtsweltmeister in den letzten 50 Jahren Afroamerikaner gewesen. Niemand kam dabei auf die Idee, sie nicht für amerikanisch genug zu halten. In Deutschland ist diese Anti-Haltung leider Realität und erinnert zuweilen an die Abstammungspolitik rechtsgerichteter Populisten. Natürlich bekennt sich Charr auch zu seinen syrischen Wurzeln und ist bekennender Moslem. Aber man darf nicht vergessen, dass er unter Deutscher Flagge boxt.
Top-Ten Boxer Charr
Nicht wenige sprechen Charr das Können ab, manche haben ihn aber höchstens zweimal im Ring gesehen und denken, dass er es einfach nicht verdient hat Weltmeister zu sein. In einer in der Breite eher schwach besetzten Gewichtsklasse gilt Anthony Joshua als das Nonplusultra. Wer den Briten schlägt, darf sich getrost als aktuell stärkster Schwergewichtler betiteln. Ob Charr eine Chance gegen Joshua hat, kann man zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen, aber natürlich wäre der Brite bei den Buchmachern haushoher Favorit. Man sollte wissen, dass gerade in den Top-Ten jeder jeden im Schwergewicht schlagen kann und Manuel Charr ein guter Mann im jetzigen Schwergewicht ist, eben keine Lichtjahre von Anthony Joshua oder Deontay Wilder entfernt.
Pflichtverteidiger wartet auf den Diamond Boy
Doch bevor man überhaupt über ein mögliches Duell Charr vs. Joshua reden kann, muss der ”Koloss von Köln” seinen Titel sehr wahrscheinlich erst gegen den 44-jährigen US-Amerikaner Fres „Fast Fres“ Oquendo verteidigen. Dieser ist per WBA-Anordnung erster Pflichtherausforderer des Deutschen. Der gebürtige Puertoricaner, der seit drei Jahren keinen Kampf mehr bestritten hat, erstritt sich dieses Recht vor einem New Yorker Gericht. US-Promoter Bobby Hitz möchte dieses mögliche Duell in die USA holen, doch das Management von Charr will die WM lieber in Köln oder wieder in Oberhausen steigen lassen.
Weltmeister ohne Wenn und Aber
Manuel Charr hat verdient den WBA-Titel im Schwergewicht gewonnen. Diesen Erfolg muss man wertfrei ohne Wenn und Aber anerkennen und hoffen, dass der Kölner seinen Gürtel verteidigen kann und dem Boxen in Deutschland ein Stück seiner Popularität zurückbringt. Der 33-jährige Weltmeister hat etwas geschafft, was vielen anderen in Deutschland verwehrt geblieben ist, nämlich Nachfolger des legendären Max Schmeling zu werden. Mit seiner orientalischen Herkunft kann er zudem als Botschafter vielleicht etwas bewirken und Brücken zwischen zwei Kulturen bauen.
Herzlichen Glückwunsch Manuel Charr.