KARNAS CORNER – Saul “Canelo” Alvarez vs. Gennady Golovkin

Es steht ein Kampf an, auf den Hardcore Fans des Boxsports verhältnismäßig lange warten -verhältnismäßig kurz könnte man auch sagen. Selten im Preisboxen erhalten wir solche Kämpfe und dann zumeist– wie bei Mayweather und Pacquiao fand der Kampf 6 ( s-e-c-h-s!) Jahre – um Jahre zu spät. Das ist aber nicht nur die jüngste Vergangenheit, auch wartete Marvin Hagler so lange auf Sugar Ray Leonard das der Kampf selbst geringeren sportlichen Wert hatte – und das Ergebnis im Nachgang auch noch umstritten war. Ich komme später nochmal zu Hagler, der von 82 bis 87 auf diesen Kampf wartet, um mit den bitteren Worten “A fight with this great man, with this great champion, would be one of the greatest fights in history. Unfortunately, it’ll never happen“ in Verzweiflung zurückgelassen wurde.

In diesem Artikel ist allerdings die Rede von der von „allen“ erwarteten „Unification Bout“ im Mittelgewicht: Es wird Klarheit und Morgenröte in dieser Gewichtsklasse aufkommen und dies ist vermutlich erst der Anfang. That said, muss man auch hinzufügen, dass diese Gewichtsklasse eine Schwächeperiode durchgemacht hat, und vom starken Halbwelter- und Weltergewicht in den Schatten gestellt wurde – zwischenzeitlich war dann auch das Supermittel aktiv und loderte im Rahmen des Super Six Super Middleweight Turnier, aber aktuell sieht man wenig vom Feuer der 80/90er. Mit Namen wie Monzon, Hagler, Hearns, Duran, sind die Kombatanten Gennady Golovkin und Saul „Canelo“ Alvarez in streitbarer Gesellschaft. Aber auch schon mit Jermain Taylor, Hopkins, Kelly Pavlik etc sind die Jungs „gefordert“.

Dieser Kampf kann allerdings einiges ändern. Es gibt hier zwei Narrative: Das des Boxers dessen Prime durch Missmanagement von Profipromotern (KlauPe Kohl/Universum) versaut wurde: Gennady Golovkin, ein hoch dekorierter Amateur, Olympische Silbermedaille, Weltmeister, Asienmeister, 345-5 sei wohl seine Amateurbilanz – es gibt aber mindestens 8 dokumentierte Niederlagen. Unglaublicher Amateur. Das schaffe ich fast in meinen 14 Kämpfen an Niederlagen. Also ein mindestens sehr, sehr gutes Pferd im Stall. Nichtsdestotrotz saß Er „hinter“ Regina Halmich (!) und Felix Sturm in Lauerposition, um es sich dann wieder bequem zu machen. Seit 2010 (zufälligerweise Insolvenzjahr von UPB) geht es aber endlich auch bei den Golovkin-Kämpfen um Titel. Positive „Hypisten“ sehen Golovkin als „the Realdeal“, most avoided Man in Boxing und den legitimen Begründer einer neuen Ära, andere sehen ihn als Mosthyped und glauben, er verprügele Weltergewichtler, habe schon gegen Jacobs seine Grenzen aufgezeigt bekommen und würde auch ansonsten gegen Boxer-Puncher oder Konterboxer immer schlecht ausgesehen. Beide Standpunkte sind vertretbar, zum einen hat Golovkin einfach noch nicht die Elitegegnerschaft der vorher genannten gehabt – Nach dem was seitens K2 und aus des Kämpfers selbst kommuniziert wird wäre dies natürlich der erste Wunsch gewesen, aber überwiegend gab es diese Traumpaarungen nicht. Das war schlussendlich auch ein Timing Thema: 2011 ging das Super Six Turnier zuende und da hätte der Gewichtsklassenaufstieg für Golovkin Sinn gemacht – Kämpfe gegen Kessler, Froch und Abraham (zum damaligen Zeitpunkt!) wären super gewesen. Andre Ward wäre aber damals auch schon keine gute Idee gewesen, wobei diesem die Power von Kovalev auch nicht schmeckte. Ebendieser hatte aber wohl gegen Golovkin im Sparring „Probleme“ (Mein Codewort für „Niederschlag“). Das sind natürlich Verweisketten ohne Sinnfinale – Hätte, hätte, Fahrradkette. Also kann man diesen Punkt schon gelten lassen: mediokre Gegnerschaft, aber nur zum Teil selbstgewählt und auch der Gemengelage der Gewichtsklasse geschuldet: Klar steigt man gerne zwei Gewichtsklassen auf für einen Kampf auf Leben und Tod (Froch), welcher Fanfreundlich und mit Siegchancen ist – man tut dies allerdings nicht um dem besseren Boxer (2 x olympisches Gold) 2,5 natürliche Gewichtsklassen über der eigenen zu begegnen. Würde keinen Sinn machen, dann müsste der Preis stimmen, aber ein André Ward würde doch nicht mal eine Turnhalle in Oakland füllen, selbst wenn es die Tickets wie McDonalds Gutscheine im Zugriff gäbe. Natürlich übertrieben, aber die Dichotomie soll die Richtigkeit beider Aussagen belegen: Gewichtklassenaufstiege sollten sich lohnen. Zudem ist Golovkin immer die B Side gewesen. Da muss man langen Atem haben, fordern, baggern, Medien machen und mit weniger nach Hause gehen. Zum Beispiel auf PPV verzichten und Rückkampfklausel nur im Falle eines Sieges (!) bekommen.

Kommen wir zur A-Side: Bei Canelo ist es umgekehrt aber ähnlich. Wir haben hier ein Elite Resume. 51 Kämpfe und bereits viele gute Namen zwischen Welter Superwelter und Mittelgewicht geboxt. Er hat jetzt schon ein Hall of Fame Resümee, nicht im ersten Versuch, aber den Platz bekommt er gleichzeitig mit Sven Ottke oder Danny Green. Naja, vielleicht sogar vor Sturm und Kessler. Er hat einen weniger signifikanten Amateurbackround – unterschiedliche Quellen sprechen von 20-40 Kämpfen. 2006 macht er im zarten Alter von 15 sein professionelles Debut. Die ersten 30 Kämpfe kann man wirklich als eine Kompensation der kurzen Amateurlaufbahn, einen Aufbau, bezeichnen. Hiernach boxte er dann starke Gegner, wobei ich hier eine Kontinuität sehe: Die stärksten Gegner waren de Facto Niederlagen. Gegen Mayweather (und wir sprechen von einem past Prime Mayweather) gewann er in meinen Augen eigentlich keine Runde. Mayweather konterte Ihn nach Belieben ab. Gegen Austin Trout sah Alvarez ganz okay aus, aber nach Runden hatte ich ebenso Trout vorne. Er klingelte Ihn allerdings an, so dass Trouts Handschuh den Boden berührte, und die 10:8 Runde kann somit in einem knappen Kampf die Entscheidung bringen. Weitere Gegner waren dann klein (Canelo ist seit geraumer Zeit Mittelgewichtler, hat einen großen Frame) und wurden dann zermürbt, hart abgekontert. Diesen Skill hat Canelo definitiv. Böse Zungen sprachen von einem Caneloweight wenn Sie das Catchweight meinten, in das Alvarez als „the bigger Draw“ die kleineren Kämpfer hochzog. A-Side halt.

Es sah schon danach aus, als würde Canelo den Kampf nicht wollen: nach seinem Kampf gegen Cotto sagte er sinngemäß: „Ich kann die Handschuhe gleich wieder anziehen“, aber dann schien Ihn der Mut zu verlassen. Während Oscar De La Hoya ständig mit glasigen Augen Dinge wie „The Fight needs to be marinated“ wiederholte, kam dann irgendwann völlig überraschend die Aufgabe des Gürtels durch Canelo. Es schien klar, dass Canelo den Kampf nicht möchte und lieber weiter zu kleine, oder maßgeschneiderte Gegner boxte. Aber der Zahn der Zeit schien auch nicht an Golovkin vorbei zu gehen, schon gegen Brook wurde Golovkin ein ums andere Mal durchgerüttelt, bevor er den Kampf durch Aufgabe gewann und Kell mit „Gesichtsbrüchen“ in Krankenhaus musste. Dann kam der Jacobs kampf, der erste Kampf seit neun Jahren bei dem Golovkin durch ein engeres Punkteurteil muss. Da war es dann soweit – nach dem Julio Cesar Chavez Kampf, den Canelo zwar gewann aber Chavez vielmehr durch Arbeitsverweigerung verlor wurde der Kampf angekündigt. Diese Sichtweise ist zugegebenermaßen etwas zynisch und unterschlägt, das Canelo ein junger aufstrebender Champion mit großem Ego in einem Land von Boxlegenden Chavez Sr., Erik Morales, Marco Antonio Barrera und vielen mehr, kommt, und Ihm das Thema Legacy nicht egal sein wird. Gerne wird er es trotzdem nicht tun. Ein Rematch mit Mayweather für einen dreistelligen Millionenbetrag wäre sicher „gemöchteter“.

Nun ja, lange Rede kurzer Sinn, einige Kämpfe weiter und der Kampf kommt. Die neuesten aktuellen Bilder beider Athleten sehen super aus. Canelo so groß wie noch nie kurz vor einem Pre-Weigh-In Phase. Auf die Waage bin ich gespannt. Golovkin wieder mit den Dinosaurier-Popeye Unterarmkolben. Es gibt nun verschiedenes zum Kampf, wie immer in der Sweet Science gibt es verschiedene Aspekte, die ich sehe:

Beinarbeit: Im Bereich der Beinarbeit ist bei mir Golovkin vorne, da er Pass und Diagonalgang sehr gut beherrscht, dabei auch schön die Führhand vom Pass in den Diagonalgang „ shifted“ und dadurch den Schritt hinter die Führhand bringt. Schließt er dann oft mit rechtem Cross ab. Könnte Golovkin das anbringen wäre dies eher schlecht fuer Canelo’s Shell und das Rollen. Auch sonst ist Canelo eher Plattfüßig, was seinem Stil aber weniger schadet als wenn er ein Come-Forward Typ wäre: Er wartet gerne fest im Boden verschraubt, um Kombos abzuladen. Ich werde mir nochmal Lemieux Kampf anschauen, da ich diesen hier stilistisch am ähnlichsten finde. Golokin ist in dieser Rubrik der Bessere.

Deckung und Nehmerfähigkeiten:

Die Meidbewegungen von Canelo sind teilweise überschätzt, teilweise natürlich gut. Wenn man an die Schwächen gegen Mayweather denkt, wird das nun besser sein und Mayweather ist natürlich mit seinen 20 Potshots pro Runde recht präzise, mit einer Ratio von ca. 50% trifft er sehr viel und genau. Anklingeln konnte er Canelo nicht, aber ausboxen. Er hat auf jeden Fall kein Glaskinn, wurde bislang nie niedergeschlagen, wird aber getroffen. Seine Meidbewegungen können den Kopf durch geschickte Bewegungen aus der Schusslinie nehmen, und in Folge kann Canelo dann Bodyshots und Kombinationen anbringen. Golovkin ist treffbar, aber auch hier gibt es weder ganz richtig noch ganz falsch: Er besitzt eine gute Grundschule, die auch gutes Upperbody Movement beeinhaltet, und er blockt/catched auch hier und da einen Schlag. Dennoch ist die Deckung bei ihm nicht Eng einer Doppeldeckung nachempfunden, sondern relativ weit auseinander. Dies in Kombination mit „dem *immer*innerhalb der Halbdistanz agieren“ (bzw. dahin zu gelangen) führt zu Treffern. Je nach „Größe am Kampftag“ (bei den Profis mal gerne 10kg über dem wiegen) kann das dann unnötig und unterlegen wirken. So passiert gegen den größeren Daniel Jacobs, der Phasenweise gut traf und Runden stahl. Auch gegen den viel leichteren Brook wurde Golovkin ein ums andere Mal getroffen. In beiden Fällen steckte er die Schläge recht solide weg. Normalerweise quittiert mit Grinsen und Kopfnicken, nicht unüblich im Boxsport. Canelo war gegen den Bruder von Miguel Cotto, Jose, schon mal angeschlagen und trotz seiner nicht zu dollen KO Quote. Nehmerfähigkeiten lernt man nicht, Beinarbeit und Oberkörperbeweglichkeit kann man schon lernen und daher gewinnt diesem Bereich Golovkin haarscharf, da er einfach die besten Nehmerfähigkeiten im Business hat.

Power

Golovkin sieht zuweilen langsam aus. Wenn man ihn jedoch die Pratzen hauen hört, dann erklingen saugende, dumpfe Töne – nicht dieses Innenhandklatschen. Er hat eine der aktuell höchsten KO Quoten aller Mittelgewichtschampions, wobei ich nicht diese One-Punch Power sehe, sondern eher die wuchtigen, aufreibenden quetschenden Jabs diagonal geschlagen.

Gegnerschaft, ein Streitthema – Canelo hat die Elite geboxt, Gennady hingegen eher das schwach besetzte b+ Mittelfeld. Aber welche Gegner waren nun bequemer? Nehmen wir mal Mayweathers Rekord, der natürlich mit dem Kampf hier nichts zu tun hat. Dieser record ist outstanding. Canelo hat die besseren Leute geboxt, eindeutig und dürfte auch besser mit dem Druck klarkommen. Er war gegen Mayweather Favorit und doch war er das Festival so nicht gewohnt. Canelo gewinnt in dieser Rubrik. Er ist Zuhause: Nimm Platz, Gennady, nimm dir nen Keks.

Kampfrichter/Judges:

Wie immer im Boxsport schafft man es nicht ohne diese Bewertung auszukommen. Ich hoffe (ehrlich gesagt), dass es hier keine großartigen Kontroversen geben wird, die negativ auf das Ergebnis und auf die Diskussion nach dem Kampf wirken. Es gibt offizielle Benennung der Kampfrichter und die hat es in sich und könnte am Ende des Tages auch Kampfentscheidend sein.

Die drei Jugdes werden Dave Moretti, Don Trella & Adelaide Byrd sein. Dave Moretti kann man guten Gewissens als Canelos Home-Judge ansehen. Er gab Miguel Cotto nur eine Runde und hatte auch Lara bei der euphemistisch gesagt „umstrittenen“ Niederlage mit 115:113 vorne. Fünf Kämpfe durfte Moretti bereits für Canelo punkten. Okay, die waren nicht alle fischig, bei den anderen sorgte Canelo bereits für den Sieg. Trella hat eher Erfahrung mit Golovkin: so wertete er den Kampf gegen Jacobs mit 115:113 für Golovkin. Auch ein viel diskutierter Kampf. Adelaide Byrd ist nicht so suspect, so hatte Sie z.B. Amir Khan vor seinem schweren Knockout durch Alvarez vorne. Sie war die einzige, der Judges. Kenny Bayless „What I say must be obeyed” ist der Ringrichter. Es ist bekannt dafür, eher klassisches Boxen zu präferieren und ab und an seinen Liebling länger pausieren oder sich erholen zu lassen. Z.B. ist Bayless eine schlechte Nachricht für den unorthodox agierenden Maidana gegen Mayweather gewesen. Durch einfache häufige Breakt Kommandos wurde Maidana in seinem permanten Druckaufbau gestört, sicher kein Vorteil. Sehe ich aber für den Kampf am Samstag unkritisch: Beide Boxer boxen sauber, halten wenig, schlagen kaum Innenhände oder Hinterköpfe. Bleibt also Moretti. Einer aus drei. Nun ja, wir werden es sehen.

Fazit:

Ich sehe hier einen TKO oder einen sehr deutlichen Punktsieg für Golovkin, je nach Alvarez Tapferkeit.

Ich sehe genau drei Szenarien, wobei ich eigentlich zwei sehe und das Dritte mich sehr überraschen würde. Erstes Szenario ist vergleichbar mit dem Lemieux Kampf. Golovkin kontrolliert in Runde 1-4 die Distanz, trifft häufig mit dem Jab, und rammt dann den rechten Cross häufiger über Canelos „Shoulderoll“. In den späteren Runden 4-8 treffen dann auch Bodyshots. In dieser Phase wird Golokin auch ab und an getroffen. In den Champion Rounds erhöht der Kazakhe nochmal den Output und schlägt Alvarez TKO. Warum ich so wenig von Alvarez rede? Da er sich eher aufs Kontern versieht und daher die ersten paar Runden kaum vorkommt. Dann trifft er schön aber wird auch schön getroffen. Er kann die Power schlechter nehmen. Zweites Szenario ist identisch mit dem ersten, aber ohne KO. Hier kommt Moretti ggf. zum Zug. Ich sehe hier das Potential einer Robbery.

Das dritte Szenario, dass ich für fast ausgeschlossen halte, da Alvarez in jedem Belang außer Handspeed (nicht timing!) unterlegen ist, wäre dann der verdiente Punktsieg durch Alvarez. Golovkin würde in diesem Szenario als Angreifer abgekontert werden und konstant schläge nehmen. Alvarez hätte immer eine Hand mehr im Ziel und was für Judges wichtig ist, meist die letzte Aktion im Schlagabtausch. Er kann Golovkins Schläge meiden, macht auch häufiger den richtigen Schritt raus. Golovin würde verkrampfen, den KO haben wollen und haben müssen und zigfach ins Leere schlagen. Punktsieg Canelo.

Ich sehe aber einige (o.g.) Themen, die Alvarez einfach noch nicht gezeigt hat.

…Auf einen guten Kampf und bis nächste Woche in der Corner!