UFC 229 Chaos: Wie konnte alles so weit kommen?

Die UFC 229 ist in die Geschichte eingegangen. Fans rund um den Globus freuten sich am Samstag, den 6. Oktober 2018 über ein UFC Event der Superlative. In der T-Mobile Arena in Las Vegas trafen viele namhafte Kämpfer aufeinander. Sieben von elf Kämpfen endeten vorzeitig. Im Gedächtnis sollte eigentlich der Hauptkampf bleiben, bei dem man den wohl größten MMA Kampf des Jahres und den bislang größten in der Geschichte des Leichtgewichts in der UFC miterleben durfte. Im klassischen Duell zwischen Ringer und Standkämpfer gab es einen klaren Sieger. Der Dagestaner Khabib ”The Eagle” Nurmagomedov konnte seinen Gürtel gegen den ehemaligen Champion in zwei Gewichtsklassen, dem Iren Conor ”Notorious” McGregor verteidigen. Doch nicht der Kampf, sondern die unrühmlichen Geschehnisse danach sind uns in Erinnerung geblieben.
Nurmagomedov verliert erstmals eine Runde und zeigt Puncher-Qualitäten

Im Duell der MMA Giganten kam Khabib Nurmagomedov (26-0) gegen Conor McGregor (21-3) sehr gut in den Kampf und gewann die erste Runde. In der zweiten Runde versetzte er die ganze MMA Welt sogar kurz in Schockstarre, als er McGregor in einem Schlagabtausch mit einem rechten Schwinger auf die Matte schickte. ”The Notorious” konnte zwar direkt aufstehen, aber das Blatt nicht mehr wenden. Der Ire lag nach den beiden ersten Runden deutlich zurück. Das hätte man sich eher andersherum vorgestellt, denn McGregor gilt im Leichtgewicht als einer der härtsten Puncher überhaupt. In der dritten Runde kam McGregor mit guten Kombinationen zurück und entschied diese mit 10 zu 9 für sich. Es war die erste Runde überhaupt, die Nurmagomedov in seiner Karriere verlor. In der vierten Runde war es dann soweit.
Der ermüdetet McGregor konnte dem Russen nichts mehr entgegenbringen. Nurmagodev brachte McGregor auf den Boden. Nach einigen Schlägen nahm er den Rücken des Iren und packte ordentlich dessen Nacken (Neck Crank). Er würgte ihn im Stile einer Boa Constrictor fast bewusstlos. McGregor musste abklopfen und die Frage nach dem ultimativen Champion war damit vorerst geklärt. Der Champion konnte dem Superstar am Boden komplett den Zahn ziehen. Doch auch im Stand zog sich ”der Adler” passabel aus der Affäre. McGregor schien dagegen nach zweijähriger Pause etwas eingerostet zu sein.
Die Eskalation

Doch viel mehr als der Kampf gingen die Geschehnisse kurz danach in die Geschichte ein. Nachdem Nurmagomedov durch den Unparteiischen Herb Dean von McGregor getrennt wurde, feierte er nicht seinen gerade erst errungen Sieg, sondern gestikulierte wütend in Richtung McGregors Ecke und war dann nicht mehr zu halten. Er sprang über den Käfig und flog dann in bester Manier eines Adlers in die Zuschauer rein. Ziel war McGregors BJJ Coach und Trainingspartner Dillon Danis, der beim UFC Konkurrenten Bellator angestellt ist. Dann brachen alle Dämme. Eine Massenschlägerei im Käfig und im Bereich, in den Nurmagomedov rein gesprungen war, war perfekt. Laut Joe Rogan soll Danis den Dagestaner während des Kampfes heftigst provoziert und beleidigt haben. Auf diversen Videos sieht man, wie McGregor ebenfalls über den Käfig will, aber aufgehalten wird. Dafür wechselten im Käfig einige Fäuste und Backpfeifen die Besitzer. Aktuell sucht man nach einem Schuldigen, doch den kann man nicht mit Nurmagomedov festmachen, sondern muss sich die ganze Vorgeschichte der beiden verfeindeten Kämpfer und allen voran die Rolle der UFC angucken.
Nurmagomedovs Heiligtümer
Der strenggläubige Muslim Nurmagomedov wurde in den letzten Wochen von McGregor mehrfach aufs übelste beleidigt. Der Ire ging bei der Promotiontour zum Kampf zu weit, denn man darf das Empfinden eines Nurmagomedov nicht mit westlichen Maßstäben gleichsetzen. Der Glaube, das Land und nicht zuletzt die Familienehre sind den meisten Kaukasiern heilig, egal ob es sich um Muslime, Christen oder Juden handelt. Die Menschen in Dagestan haben eine andere Bindung zu ihren drei Heiligtümern. Wenn diese beleidigt werden, kann für sie eine Welt zusammenbrechen. Nurmagomedov musste lange McGregors Beleidigungen gegen seinen Vater, seine Religion und sein Volk erdulden. Sicherlich rechtfertigt das nicht, dass er ausgerastet ist, aber es erklärt seine Motivation. Hier war McGregor definitiv zu weit gegangen, der die drei genannten Aspekte nicht einkalkulieren konnte oder wollte und vielleicht dachte, mit seiner Art und dem Trash-Talk das Interesse am Fight steigern zu können. Doch was für ihn nur ein Geschäft ist, ist für Nurmagomedov sein ganzes Dasein und seine Existenz, die von diesem rothaarigen Iren mit Füßen getreten wurde.
Nurmagomedov zeigt sich reumütig
Der Champion entschuldigte sich bei der anschließenden Pressekonferenz für sein Verhalten bei der Sportkommission von Nevada. Sein Statement dazu unterstrich seine Sicht, wie der Sport sein sollte:
„Bei diesem Sport geht es um Respekt. Es ist kein Trash -Talk Sport. Ich will dieses Spiel ändern. Ich will nicht, dass Leute Scheiße über ihre Gegner, Väter und Religion erzählen. Du kannst nicht über Nation und Religion so reden“
Auch wenn Nurmagomedov mit seinen Worten nicht unrecht hat, sollten er und alle anderen Beteiligten vom Samstag nicht vergessen, dass Mixed Martial Arts in seiner jetzigen Form eine Erfindung der UFC ist. Der Branchenprimus hat lange Zeit rote Zahlen geschrieben und ist auf die Show angewiesen und stellt deshalb die Regeln auf. Uns gefällt das auch nicht immer. Etwas weniger von der Wrestling-Show WWE wäre nicht verkehrt, aber wenn der ganze Wirtschaftsapparat nicht anders funktioniert, dann müssen wir uns alle den Bedingungen der UFC beugen oder uns von ihr abwenden. Unlängst ist die Show auch in anderen MMA-Ligen angekommen. Der europäische MMA Leader KSW nutzt selbst Elemente vom Wrestling, um seine Shows zu promoten. Die Fans lieben es. Allerdings achtet man darauf, dass eben keine Familien, Religionen und Nationen beleidigt werden. Hier kann die UFC von den erfolgreichen Polen lernen.
Die Vorgeschichte
Der ganze Ärger, der mit dem Chaos am Samstag gipfelte, hat eine Vorgeschichte. In einem Interview im Sommer 2017 kritisierte und beleidigte McGregors Trainingspartner und UFC Kämpfer Artem Lobov den Dagestaner gegenüber russischen Medien hart und bezeichnete ihn als feige. Daraufhin kassierte Nurmagomedov vor der UFC 223 im April 2018 Lobov ein. Beide sollten bei diesem Event in Brooklyn in New York kämpfen. In einer weniger freundlichen Art packte Nurmagomedov seinen Landsmann hart am Nacken und las ihm ordentlich die Leviten.
Einen Tag später kam der berühmte Angriff auf den Bus mit den UFC Kämpfern, in dem auch Nurmagomedov saß (Hier mehr dazu lesen) durch McGregor, der nach New York angereist war, um seinen Freund zu unterstützen. Der Ire wurde nach seinem heftigen Ausraster sogar von der örtlichen Polizei verhaftet und tags darauf wieder frei gelassen.
Als im August der Kampf zwischen Nurmagomedov und McGregor verkündet wurde, war es lange Zeit ungewöhnlich ruhig um die beiden Athleten. Erst kurz vor der UFC 229 begann McGregor mit Attacken über Instagram. Er beleidigte Nurmagomedovs Vater und versuchte mit diversen Posts sogar die verbrüderten Dagestaner und Tschetschenen gegeneinander aufzubringen. Bei den Pressekonferenzen ging es so weiter. McGregor war in Höchstform, aber vergaß dabei seine gute Kinderstube. Nurmagomedov verhielt sich die meiste Zeit ruhig und besonnen. Das sich in ihm bis zum 6. Oktober viel Wut angestaut hatte, merkte man erst nach dem Kampf.
Bad Boy McGregor
Nurmagomedov und sein Team müssen sich aktuell viel Kritik gefallen lassen. Sicherlich nicht ganz zu unrecht. Aber was wäre, wenn McGregor an seiner Stelle in Las Vegas derart ausgerastet wäre? Der 30-jährige Ire wird zumeist wie ein unartiges Kind behandelt, dem man alles verzeiht, egal wie weit er letztlich geht. Würde man andersrum über ihn auch so herfallen? Wahrscheinlich nicht. McGregor hat sich im Laufe seiner UFC Zeit so einiges geleistet. Sei es dieses Jahr der besagte Angriff auf den UFC Bus, 2016 der Angriff mit dem Stuhl auf Eddie Alvarez oder als er letztes Jahr bei einem Bellator Event in den Käfig stürmte und den Referee attackierte. Alles wurde ihm mehr oder weniger verziehen. Im Jahr 2015 beleidigte er sogar den Deutschen Dennis Siver als Nazi. Auch der ehemalige Langzeit Champion Jose Aldo musste im Vorfeld seines Duells mit dem Iren viel erdulden. Der Brasilianer ging im Kampf nach 13 Sekunden K.O. und fand im Anschluss nie wieder zu seiner alten Form. Einzig Nate Diaz konnte ihm in Puncto Trash-Talk Paroli bieten. Der US-Amerikaner kommt wie McGregor selbst von der Straße, daher spielte er da gerne mit. Diaz weiß zu gut, dass der Trash-Talk nur Business ist.
Die Konsequenzen
Anscheinend wird Nurmagomedovs Teamkamerad Zubaira Tukhogov, der ebenfalls bei der UFC angestellt ist, unwiderruflich gefeuert. UFC Präsident White verkündete, dass jeder aus Nurmagomedovs Team, der sich an der Schlägerei beteiligt hat, nie in den UFC Käfig steigen wird. Was mit Nurmagomedov passiert steht aktuell in den Sternen. Laut White liegt alles in den Händen der Sportkommission des Staates Nevada. Der mächtigste Mann der UFC hat aber schon durchblicken lassen, dass man dem Champion den Titel entziehen wird, sollte er länger gesperrt werden.
Unlängst wird die UFC registriert haben, dass der am Pranger stehende Kaukasier gerade enorm an Popularität dazugewonnen hat. Gut fünf Millionen neue Follower hat Nurmagomedov seit vergangenen Samstag auf Instagram dazugewonnen. Sein Bekanntheitsgrad ist weltweit enorm gestiegen. Er ist der Mann, der den bis dahin ”besten Kämpfer der Welt” geschlagen hat. Dadurch steigt natürlich auch der Marktwert des Wirtschaftsunternehmen UFC unaufhörlich weiter. Aktuell scheinen sich der Kämpfer und die Organisation sogar wieder lieb zu haben. In diversen Beiträgen auf Instagram und Facebook kommt man sich wieder näher.
Welche Schuld trägt die UFC?
Doch welche Schuld trägt die UFC an diesem ganzen Schlamassel? Keine unbedeutende, wenn man sieht, wie sie einen McGregor seit Jahren für ihre PR-Aktionen vor den Karren spannt und immer wieder davonkommen lässt. Es scheint fast so, als wäre der Ire unantastbar. Das gleiche Spiel erlebte man zuvor schon bei Ronda Rousey, einem ehemaligen weiblichen Zugpferd der UFC. Sie beleidigte ihre Gegnerinnen wie sie wollte, wurde nie bestraft. Am Ende fiel sie wie McGregor hin und kam nie wieder auf die Beine. Heute steht Rousey bezeichnenderweise bei der WWE unter Vertrag und absolviert dort Show-Kämpfe.
Die UFC hätte besonders bei Khabib Nurmagomedovs kulturellem Hintergrund ihren ”Dukatenesel” McGregor etwas zügeln müssen. Gegen gewöhnlichen Trash-Talk kann man nichts sagen, aber wenn es tief unter die Gürtellinie geht, sollte man eingreifen. So hat man es verpasst ihre beiden Stars zu schützen und steht nun vor einem großen Dilemma. Sperrt man Nurmagomedov, muss man sich selbst hinterfragen und gerät in Erklärungsnot, warum der aktuell berühmteste Ire immer wieder davongekommen ist.
Unsere Meinung:
Sollte man Nurmagomedov sperren, dann bitte maximal für sechs Monate. So könnte er seinen Titel behalten. Aber auch McGregor sollte wenigstens die gleiche Zeit auf Eis gelegt werden. Die Mehrheit der Fans wünschen sich aktuell einen Rückkampf. Es wäre die Chance für die beiden Kämpfer, es nicht nur sich selbst, sondern der ganzen Welt zu beweisen, dass sie große Sportsmänner sind, Idole für die Jugend und Vorbilder für nachkommende Talente.
Letztendlich hat der Sport, diese großartigen Kämpfer und die Millionen von Fans überall in der Welt diesen bitteren Nachgeschmack auf die UFC 229 so nicht verdient. ZUR DISKUSSION
Von Attila Revada und Alex Unruh