Die Tragödie um Billy Collins jr. – Geschichte einer Schandtat
von Remo Kelm

Wir schreiben den 16.06.1983. Ein Tag wie jeder andere? Naja, fast. Papst Johannes Paul II. tritt einen 7-tägigen Besuch in seiner Heimat Polen an, in Französisch-Guyana startet die europäische Trägerrakete Ariane L-6 zu ihrer Mission, zwei Satelliten in die Umlaufbahn der Erde zu katapultieren und eine bekannte deutsche Tageszeitung schreibt auf ihrer Titelseite von einer Erhöhung der Altbaumieten ab Oktober. Soweit, so gut. War das schon alles? Natürlich nicht, denn im Vergleich zu einem anderen Ereignis dieses Tages wirken diese Meldungen so spektakulär, wie die des Wasserstandes in einer chinesischen Provinz. Der 16. Juni 1983 wird für immer ein schwarzer Tag für den Sport, und insbesondere für den Boxsport sein. Dieser Tag hat den Glauben an die Fairness und die Sportlichkeit innerhalb einer halben Stunde bis in die Grundfesten erschüttert und hat sich als schicksalhafter Tag für einen jungen, ambitionierten Boxer in das Gedächtnis aller Boxfans gebrannt. Das Ereignis, welches Gegenstand dieses Artikels sein soll, ist der Boxkampf zwischen Billy Collins jr. und Luis Resto und seine tragischen Folgen.
Showdown im Madison Square Garden
Der 16. Juni 1983. An diesem Abend tritt ein junger, aufstrebender, amerikanischer Boxer namens Billy Collins jr. an, um seinen Aufwärtstrend zu bestätigen. Und die Vorzeichen stehen gut. Mit einer makellosen 14-0 Bilanz steigt der junge Collins in den Ring im Mekka aller Boxer, dem berühmt- berüchtigten Madison Square Garden in New York. Diese altehrwürdigen Hallen waren bereits Austragungsort der größten Boxkämpfe aller Zeiten und in diesem Ring trugen sich im Laufe der Jahrzehnte allerlei außergewöhnliche Begebenheiten zu. Was sich in dieser Nacht allerdings in diesem traditionsreichen Ring begeben sollte, darauf konnten weder die Zuschauer noch der MSG vorbereitet sein. Außer vielleicht einer, Carlos „Panama“ Lewis. Dazu später mehr. In diesem geschichtsträchtigen Kampf, der auf der Undercard der Veranstaltung, dessen Headliner der legendäre Roberto Duran war, stattfand, traf Collins auf den gebürtigen Puerto Ricaner Luis Resto. Dieser war nicht nur 6 Jahre älter als Collins, sondern auch sehr viel erfahrener. Wenngleich Resto mit einem eher durchwachsenen Rekord in den Kampf ging, hatte er dennoch einen entscheidenden Trumpf in der Hinterhand. Seinen Trainer Panama Lewis. Zu denen, die nicht an einen Sieg Restos gegen den jungen und hungrigen Collins glaubten, gehörte wohl auch jener Lewis. Was wäre also im Angesicht einer drohenden Niederlage ein probates Mittel, die eigenen Chancen zu steigern? Mehr Training? Nein! Andere Strategie? Nein! Bessere Sparringspartner? Nein! Was für einen perfiden Plan sich Lewis für seinen Schützling da ausdachte, war an Schändlichkeit nicht zu überbieten.
Der komplette Kampf:
Gips im Spiel
Der Kampf war geprägt von schweren Treffern an Collins` Kopf, der es dennoch bis über die volle Distanz schaffte. Collins war allerdings schwer gezeichnet und seine Augen von starken Schwellungen überzogen. Nachdem die Punktrichter Resto zum Sieger durch UD erklärten, entschloss sich Collins` Vater und Trainer, Restos Handschuhe einer genaueren Prüfung zu unterziehen. Zu merkwürdig waren die schweren Verletzungen, die sein Sohn davongetragen hatte. Als Collins sr. Luis Resto augenscheinlich zum Sieg gratulieren wollte, um dabei dessen Handschuhe zum Shakehands zu berühren, bestätigte sich ein ungeheuerlicher Verdacht, der alles bis dahin da gewesene locker in den Schatten stellte. Collins sr. bemerkte sofort, dass die Handschuhe viel härter waren, als sie hätten sein dürfen und er gestikulierte wild mit den Armen, um Offizielle auf seine Entdeckung aufmerksam zu machen. Später sollte sich herausstellen, dass Restos Trainer Panama Lewis einen Großteil der Polsterung entfernt und Restos Bandagen mit Gips (!!!) präpariert hatte. Lewis hatte seinem Schützling durch eine der schändlichsten Aktionen der Sportgeschichte einen Vorteil verschafft, der tragische Folgen nach sich ziehen sollte, die weit über den Boxring hinausgingen. In der Folge wurde der Kampf offiziell als No Contest gewertet, Panama Lewis wurde die Lizenz aberkannt und Luis Resto wurde gesperrt und bestritt nie wieder einen Boxkampf.
Tragisches Ende
An dieser Stelle könnte die Story zu Ende sein. Lewis und Resto haben auf schäbige Art und Weise betrogen und wurden dafür bestraft. Die wirkliche Tragödie sollte allerdings noch folgen. Der junge Collins erlitt in dem Kampf gegen Resto so schwere Verletzungen an einem seiner Augen, dass er gezwungen war, die Handschuhe an den Nagel zu hängen. Der Traum des jungen, aufstrebenden und talentierten Boxers zerplatzte ohne eigenes Verschulden wie eine Seifenblase. Desillusioniert und verbittert fiel Collins in ein Loch, aus dem er sich nicht mehr befreien konnte. Er verlor mehrere Jobs, mit denen er sich zeitweise über Wasser hielt und begann, seinen Kummer im Alkohol zu ertränken. Am 6. März 1984, nicht einmal ein Jahr nach dem schrecklichen Boxkampf nahm diese Geschichte ihr tragisches Ende. Von Depressionen gebeutelt und nahezu mittellos lenkte Billy Collins jr., der ein Jahr zuvor noch eine große Zukunft im Boxsport vor sich hatte, sein Auto absichtlich in ein Hindernis. Eine letzte verzweifelte Aktion, die unmittelbar tödlich endete.
Collins sr. ertastet Restos Handschuhe nach dem Kampf bei etwa 1:10 min:
Obwohl Luis Resto Collins` Witwe Jahre später sein Bedauern aussprach, klebt das Blut ihres verstorbenen Ehemanns bis zum heutigen Tag sowohl an Restos als auch an Lewis` Händen. Durch eine hinterhältige, heimtückische Aktion haben diese beiden Menschen ein junges, blühendes Leben innerhalb von 10 Runden in eine gebrochene Person verwandelt, die ihrem Leben nicht einmal ein Jahr später bewusst ein Ende setzte. Resto und Lewis sind eine Schande! Nicht nur für das Boxen, sondern für den Sport generell!
R.I.P. Billy Collins jr.